Entschleunigte Zeit
Wir nehmen auf einer Rattancouch mit Blick auf die Donau Platz. Für Lillevan hat das fließende Gewässer, das Nord und Süd trennt, Mautern von Stein distanziert und dennoch mit Brücken verbunden ist, Bedeutung. Seine Umgebung, die er für ein Monat sein Zuhause nennt, nimmt er sehr genau wahr. Mich freut es, dass der ständig reisende Visual Animation Künstler "meine" Laufstrecke der Vergangenheit für sich entdeckt hat. "Ich laufe von der einen Brücke hier, durch das dörfliche Areal dahinter bis zur großen Brücke,..." und ergänzt, "und ich habe ein Radprojekt, so ein kleines Rad, mit dem ich fahre, das ich repariert habe. Allerdings überholen mich sogar die Spaziergänger..." Die Residency bringt Lillevan zurück zu sich selbst, er kennt hier niemanden, hat keine Termine, muss sich keine Gedanken machen zu seiner Meinung über unterschiedliche Situationen der Welt. Gleichzeitig beginnen wir darüber zu sinnieren, welchen globalen Problemen die Gesellschaft gegenüber steht und wie wir Verantwortung von uns schieben, dennoch mit der Aufforderung aller zu allem eine Meinung und einen Standpunkt zu haben.Reisen bildet
Obwohl Lillevan nicht zum ersten Mal in Krems ist - für Kontraste, Imago Dei und das donaufestival engagierte ihn der langjährige Festivalleiter Jo Aichinger bereits mehrmals - nimmt er die Umgebung erstmals richtig wahr. "Ich habe mich noch nie beworben. Das ist meine erste Residency und ich genieße sehr, dass ich experimentieren und ausprobieren kann, was ich seit Jahren auf meine To-Do-Liste schreibe. Dabei denke ich mir, gut, dass ich das gemacht habe. Manches verwerfe ich, manches werde ich zukünftig weiterführen" Der Künstler ist Weltreisender seit er sich erinnern kann. Der Beruf seines Vaters ließ ihn den ersten acht Jahren seines Lebens auf Reisen sein. Deshalb scheint es ganz natürlich, dass der geborene Ire in Berlin lebend, nur ein Monat im Jahr tatsächlich an seinem Wohnsitz weilt. "Wohnen kann ich es gar nicht nennen,...", meint Lillevan grinsend. In den anderen elf Monaten lebt er an den Orten seiner Projekte: Zentralasien, London, Argentinien, New York, Australien,...Der spannende Zusammenhang zwischen den Menschen, dem Thema und der Entwicklung eines Projekts lässt Lillevan immer wieder an Orten verweilen, die vorab nicht geplant waren. So zum Beispiel das Projekt in Zentralasien (Kasachstan, Kirgisistan, Tadschikistan, Usbekistan) zum Gletscherschmelzen, das ihn wiederum durch den Schwerpunkt des diesjährigen Imago Dei Festivals nach Krems brachte. Ein ewiger Kreislauf...
Experiment, Produkt, Performance
Auch in seinen Live-Performances, die ihn, wie er sagt am Leben halten und es lebenswert machen, steht der Kreislauf im Vordergrund. Lillevan nimmt in seinem Badezimmer, das gleichzeitig sein Labor ist (oder umgekehrt) mit seinen Instrumenten, der Kamera und dem Projektor, organische Prozesse auf: schmelzen, zerreissen, kochen, brechen. Zwischen Werden und Vergehen streckt oder verkürzt er die Zeit dieses jeweiligen Vorgangs. Das Fotomaterial speist seine Datenbank auf die er im Live-Prozess zugreift, um mit den Projektpartnern ins Gespräch zu kommen. Kommunikation auf anderen Ebenen, über Bild und Musik, Collage und Ton, Kontakt und Blick. Die visuelle Musik fußt auf viel Erfahrung und der Liebe zum Prozess. "Proben? Nein, keine dieser Aufführungen kann je wiederholt werden. Jedes der Konzerte ist einzigartig, wie ein Dialog, der nicht wiederholt werden kann.", meint er und bezieht sich auf seine eigene Projekte, die nicht mit einem spezifischen, sehr strukturierten Auftraggeber zusammenhängen, wie zum Beispiel einem Opernhaus. Für die Visuals von Opern muss natürlich punktgenau mit Sängern, Musikern und Dirigenten geprobt werden. Hierbei geht es um den sekundengenauen Einsatz.Imago Dei 2017 in der Minoritenkirche, ein schöner Ort. Aber am wichtigsten ist das Team mit dem ich zusammenarbeite. Das muss stimmen.
Lillevan spricht dem kompletten Team des Imago Dei Osterfestivals, an dem er für die Videoanimation des Naqsh Duos und Stefan Fraunberger am 31. März 2017 verantwortlich ist, seinen größten Respekt aus. Zukünftige Projekte mit Synthesizer-Erfinder Morton Subotnick und zum Lutherjahr behalte ich im Auge... There is always more to try!
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