Fabriken werden zu Kunsthallen
wo Wissen archiviert, generiert und vermittelt wird
Ich geb es zu. Ich bin eine Träumerin. Oft stelle ich mir vor, was wäre wenn ich vor 100 Jahren durch die Stadt gehen würde. Wer würde mir begegnen? Und wo würde ich hingehen? Wäre ich eine der 800 Frauen, die in der Tabakfabrik in Stein einen Arbeitsplatz ergattert haben?
Ganz genau. Eine Tabakfabrik – zwar von Männern geleitet – betrieben seit 1850 am heutigen Gelände der Kunsthalle, des Campus und der Donau-Universität vorwiegend Frauen. Sie hielten das Rad am Drehen. Arbeiterinnen, denen in der „Vorzeigefabrik“ der K.u.K. Monarchie auch Privilegien zustanden, wie eine Wohnung in passabler Größe – für diese Zeit! – Betriebsküche, Bad und sogar Kinderheime. Sozial zeigten sich die Chefs im Hinblick auf Krankenversicherung und ärztliche Betreuung. Stein war damit nicht die einzige Fabrik, die sich auf die Herstellung von Zigarren und Zigaretten spezialisierte. Auch in Linz befindet sich eine derartige Industrie.
Das relativ große Areal teilt die Fabrik in verschiedene Bauphasen: vorerst wurde in den Gebäuden der heutigen Kunsthalle produziert. 1918, als das Produkt vor allem in Wien ein Renner wurde, entschied man sich für einen Neubau – heute sehen wir keine Tabakfabrik mehr, sondern die Donau-Universität mit drei Etagen und den vielen Fenstern. Architekt Paul Hoppe entwarf die Stahlbetonkonstruktion, die zwischen 1919 und 1922 ausgeführt wurde – noch 1922 nahm man die Fabrik in Betrieb. Mit 75 Millionen handgefertigten Zigarren war die Produktion 1931 auf ihrem Höchstpunkt angekommen.
Erst 1991 sperrte die Fabrik ihre Pforten – die Nachfrage ließ mit dem Gesundheitsboom in den 1980er Jahren so sehr nach, das sich die Produktion nicht mehr rentierte. Ich denke dabei auch an die vielen internationalen Anbieter, die Verlagerung des Anbaus und der Billigproduktion. Eine Ära ging damit zu Ende.
Ich stehe also heute vor dem Gebäude der Donau Universität und sehe junge, motivierte Menschen mit Büchern, in Gespräche vertieft und mit ihren Kommilitonen lachend. Das Innere der Fabrik hat sich gewandelt. Dort wird nicht mehr gerollt und gesteckt, sondern geschrieben und gelernt. Die Tabakfabrik wandelte sich 1995 zur Denkfabrik. Die Innenräume und die Glas-Zubauten adaptierte man nach Plänen von Manfred Wehdorn. Außen erscheint auf den ersten Blick alles noch im Stile des Historismus. Eine Denkfabrik mit labiler Geschichte, die sich in den Weltkriegen formte und im alten Jahrtausend ihr altes Ich abschüttelte und zur Wissenschaftsinstitution wurde.
Eine Geschichte wie diese zu erfahren und zu lesen macht Lust auf mehr. Dass ich, wenn ich mir einen Film im Kino ansehe, im ehemaligen Kesselhaus der Fabrik sitze, hat eine beruhigende Seite. Denn der Denkmalpflege sei dank, werden auch Fabrikgebäude und ihre Rauchfänge (Schlot) geschützt. Was wäre das Kino ohne seinen Rauchfang? Und was wäre die Geschichte ohne ihre Bauwerke?
Für weitere Informationen kann ich jeder Interessierten und jedem Interessierten die Publikation von Alberich Klinger empfehlen „Von der Tabakfabrik zur Donau-Universität Krems“, die sich mit Architektur und Sozialgeschichte auseinandersetzt.
© diekremserin |
Ganz genau. Eine Tabakfabrik – zwar von Männern geleitet – betrieben seit 1850 am heutigen Gelände der Kunsthalle, des Campus und der Donau-Universität vorwiegend Frauen. Sie hielten das Rad am Drehen. Arbeiterinnen, denen in der „Vorzeigefabrik“ der K.u.K. Monarchie auch Privilegien zustanden, wie eine Wohnung in passabler Größe – für diese Zeit! – Betriebsküche, Bad und sogar Kinderheime. Sozial zeigten sich die Chefs im Hinblick auf Krankenversicherung und ärztliche Betreuung. Stein war damit nicht die einzige Fabrik, die sich auf die Herstellung von Zigarren und Zigaretten spezialisierte. Auch in Linz befindet sich eine derartige Industrie.
© aeiou.at |
Das relativ große Areal teilt die Fabrik in verschiedene Bauphasen: vorerst wurde in den Gebäuden der heutigen Kunsthalle produziert. 1918, als das Produkt vor allem in Wien ein Renner wurde, entschied man sich für einen Neubau – heute sehen wir keine Tabakfabrik mehr, sondern die Donau-Universität mit drei Etagen und den vielen Fenstern. Architekt Paul Hoppe entwarf die Stahlbetonkonstruktion, die zwischen 1919 und 1922 ausgeführt wurde – noch 1922 nahm man die Fabrik in Betrieb. Mit 75 Millionen handgefertigten Zigarren war die Produktion 1931 auf ihrem Höchstpunkt angekommen.
Erst 1991 sperrte die Fabrik ihre Pforten – die Nachfrage ließ mit dem Gesundheitsboom in den 1980er Jahren so sehr nach, das sich die Produktion nicht mehr rentierte. Ich denke dabei auch an die vielen internationalen Anbieter, die Verlagerung des Anbaus und der Billigproduktion. Eine Ära ging damit zu Ende.
Ich stehe also heute vor dem Gebäude der Donau Universität und sehe junge, motivierte Menschen mit Büchern, in Gespräche vertieft und mit ihren Kommilitonen lachend. Das Innere der Fabrik hat sich gewandelt. Dort wird nicht mehr gerollt und gesteckt, sondern geschrieben und gelernt. Die Tabakfabrik wandelte sich 1995 zur Denkfabrik. Die Innenräume und die Glas-Zubauten adaptierte man nach Plänen von Manfred Wehdorn. Außen erscheint auf den ersten Blick alles noch im Stile des Historismus. Eine Denkfabrik mit labiler Geschichte, die sich in den Weltkriegen formte und im alten Jahrtausend ihr altes Ich abschüttelte und zur Wissenschaftsinstitution wurde.
© diekremserin |
Für weitere Informationen kann ich jeder Interessierten und jedem Interessierten die Publikation von Alberich Klinger empfehlen „Von der Tabakfabrik zur Donau-Universität Krems“, die sich mit Architektur und Sozialgeschichte auseinandersetzt.