wanderlust = n, [won-der-luhst], a strong innate desire to rove or travel about

10.07.2014

Nasen-Diskussion

Über diese Wachauer Nase, die am 12. Juli von 15.00 - 17.00 Uhr an der Fährenanlegestelle in St. Lorenz eröffnet wird, diskutiert man im politischen Kreisen. In meiner Ankündigung lobte ich den Mut und die Neugierde der Wachauer eine zeitgenössische, nicht ganz unkritische Künstlergruppe ins Kulturerbe eine riesengroße Nase zu setzen. Dass die Skulptur bei den BewohnerInnen selbst auf Unverständnis trifft, darf angenommen werden. Immerhin schreiben gelitin in ihrer Einladung zur Eröffnung folgende Worte, um positiv, verwunderte und negativ, erboste Wachauer auf die neue Skulptur vorzubereiten:

© gelitin
"Die Wachauer Nase ist eine schöne Nase. Sie passt zu den Menschen, die hier leben, und wird sie älter, passt sie sich den Lebensumständen an. Die Nase ist ganz schön groß, stolz und atmet Schlamm. Sie ruht flach und atmet flach am Uferrand, denn die Person darunter ist bis auf die Nase eingegraben. Manchmal, bei Hochwasser, steht ihr das Wasser bis zur Nase, und manchmal füllen sich die Nasenhöhlen sogar. ... Im Sommer, wenn es heiß ist und sie noch nicht ganz ausgetrocknet, riecht ihr Atem nach Sumpfwasser. Kleine Fliegen surren durch die Nasenlöcher hinein und hinaus. Wenn die Nase die reifenden Weintrauben an den umliegenden Hängen riecht, würde sie sich am liebsten über das Tal beugen, um den feinen Geruch völlig auszuschöpfen. ... Wenn man schwindelfrei ist, kann man den First hinaufklettern und wie ein großer Käfer auf ihrer Spitze sitzen und den Blick über die Donau gleiten lassen". (gelitin)

Nun, wenn ich der zeitgenössischen Kunst mit etwas Humor und einem Augenzwinkern entgegen schaue, entlocke ich mit dieser Beschreibung und dem Einladungscover (siehe oben) der eingefleischtesten Gegnerin ein wissendes Lächeln. Kunst im öffentlichen Raum soll anregen nachzudenken, soll aufregen, soll aber auch klären und vor allem Spaß machen. In der niederösterreichischen FPÖ regt sich leiser Widerstand, der medial immer lauter wird. Michael Matzenberger berichtet im Standard vom gefürchteten "Werteverfall" des freiheitlichen Kultursprechers Udo Landbauer. Er stellte sogar einen Antrag an den niederösterreichischen Landeshauptmann Erwin Pröll (ÖVP), um Aufklärung, ob finanzielle Mittel des Landes in dieses Künstlerprojekt ausgegeben wurden. Die Künstlergruppe gelitin ging aus dem Wettbewerb 2012 - einer Kooperation von Kunst im öffentlichen Raum Niederösterreich und der regionalen Initiative Wachau 2010plus - als eindeutiger Sieger hervor. Somit erklärt sich auch die Antwort auf Landbauers Frage, die auf Landesebene schon beantwortet wurde: das Geld kommt aus "unterschiedlichen Töpfen". (siehe auch hier)
© diekremserin

Eine dauerhafte Installation von gelitin in der Wachau zu verankern sehe ich als positives Beispiel für die niederösterreichische Offenheit. Erst vor wenigen Jahren widmete die Kunsthalle Krems der Künstlergruppe eine große Ausstellung, im 21er Haus des Wiener Belvederes waren gelitin letztes Jahr aktiv. Dass zeitgenössische Skulpturen auf Widerstand stoßen, zeigt die 2004 entstandene und 2012 installierte Skulptur "Hain" von Franz West (1947 - 2012) auf erhebliches Unverständnis. Als "scheußlich" bezeichnet, fühlen sich Touristen sowie BewohnerInnen angegriffen. Mittlerweile, nach nur zwei Jahren, merke ich wenig von diesem Widerstand gegen das rosa Zick-Zack am Kreisverkehr, denn die KremserInnen leben und lachen mit der Skulptur. Die Kunsthalle Krems äußerte sich 2012 folgendermaßen: „Franz West hat ein beispielloses Werk voller Humor, Innovationsgeist und philosophischer Referenzen geschaffen, das den Betrachter (...) zum Reflektieren anregt“. (tips.at)

Ich freue mich schon darauf, die Wachauer Nase zu erklimmen, nach Weissenkirchen zu schauen, selbst den Duft der Marillen einzuatmen, die Donauluft zu spüren und die fragenden Menschen für die Nase zu begeistern: was regt uns mehr an, als das was uns aufregt?

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