wanderlust = n, [won-der-luhst], a strong innate desire to rove or travel about

03.03.2014

Kaffeehaus-Gespräche I

Ein Nachmittag in Wien

im Gespräch mit Ursula Strauss


Ich zähle Ursula Strauss zu den momentan bekanntesten und v.a. erfolgreichsten Schauspielerinnen in
© Ingo Pertramer
Österreich. Die Serie „Schnell ermittelt“, in der Strauss eine smarte Ermittlerin spielt, schlug 2007 voll ein, wir fragen uns doch alle, ob es doch wieder eine neue Staffel geben wird. Im Herbst kuratierte die toughe Frau – wie immer klassisch gestylt – „Wachau in Echtzeit“, eine kulturelle Plattform zur Belebung der Wachau in den touristisch nicht attraktiven Monaten September bis Dezember. Austragungsort war unter anderen Orten auch Krems. In der Kunsthalle lernte ich Ursula Strauss dann persönlich kennen, nach der Performance von LeTamTam und Michael Ostrowski

Szenenwechsel. Von der Abendveranstaltung in Krems ins Café Korb in Wien. Wer das Kaffeehaus kennt, weiß, dass es noch so ein ganz Richtiges ist: eng, verraucht und sehr wienerische Ober. Genau hier hat sich für die beschäftigt-geschäftige Schauspielerin, die für ihre Hauptrolle in „Oktober November“ für den österreichischen Filmpreis nominiert wurde – eine zeitliche Lücke aufgetan, die ich füllen darf.

diekremserin: Die Wachau ist für dich ein wichtiger Anknüpfungspunkt. Krems wird ja als ein Tor zur Wachau bezeichnet. Was verbindest du mit dem Weltkulturerbe? Wie hat sich deine Position als Kuratorin für "Wachau in Echtzeit" ergeben?

Ursula Strauss: Die Wachau ist eine sehr vertraute Gegend für mich. Krems - dadurch, dass es am anderen Ende unseres Tors der Wachau liegt - ist mir am wenigsten vertraut. Aber natürlich vertrauter als die Gegend rund um Graz oder Linz. Die Gegend ist meine Heimat, dass ist dort wo man hinfährt, wenn man zum Heurigen fährt, wo man durchfährt.
Für "Wachau in Echtzeit" bin ich von Alexander Hauer und damals noch Martin Fock einfach gefragt worden, ob ich mir vorstellen könnte das Festival zu kuratieren. Ich bin für das komplette Programm verantwortlich, was auch viele Menschen nicht wissen - das wächst alles auf meinem Mist. Ich überlege mir gerne beim Zusammenstellen des Programms: Was könnte den Menschen gefallen, was könnte sie fordern und ihnen Denkanstöße geben?

Wachau ist für mich Heimkommen, aber gleichzeitig Erholung, wie ein kleiner Urlaub. Aber sehr vertraut.

diekremserin: Was verbindet dich konkret mit Krems?

Ursula Strauss: Es gibt viele Verbindungen nach Krems. Ins Hallenbad dort gehe ich zum Beispiel mit meinen Nichten und Neffen schwimmen. Mein Bruder unterrichtet an Kremser Schulen - er unterrichtet Jazz - er ist Saxophonist und Musiker. Einer meiner Regisseure von "Schnell ermittelt" kommt aus Krems - also es gibt sehr viele Verbindungen.

diekremserin: Krems kommt immer wieder in deinem Leben vor. Deine Liebe zum Bodenständigen finde ich sehr sympathisch. Da fühlen sich Menschen wie ich, die nicht in der Öffentlichkeit stehen, dir sehr nahe. Was hilft dir bei deinen vielen verschiedenen Aktivitäten am Boden zu bleiben?

Ursula Strauss: Mir hilft dabei das Bewusstsein meiner eigenen Endlichkeit, dass das Universum groß ist und dass es Quatsch ist sich selbst so wichtig zu nehmen. Ich spreche nicht von einem fehlenden Lebenswillen oder fehlendem Selbstbewusstsein, sondern dem Bewusstsein sich eher zu fragen: wo sind die eigenen Stärken, die eigenen Schwächen – ich bin so erzogen worden. Ich glaube außerdem, dass wenn man diesen Beruf ausübt, so viele Verlockungen einem dauernd über den Weg laufen, die Schein sind. Ich interessiere mich nicht für den Schein sondern das Sein. Es ist ganz wichtig bei sich zu bleiben, um verschiedene

diekremserin: Ich finde, dass man dies bei deinen Rollen sieht, dass du einen sehr straighten Zugang zum Leben hast. Von Cate Blanchett habe ich unlängst gelesen, dass sie dies tunlichst vermeidet, weil sie immer enttäuscht ist. Schaust du dir deine Filme – gerne – an? 

Ursula Strauss: Grundsätzlich ist es nicht so leicht sich selbst zuzusehen. Natürlich, gehört es irgendwie da zu, weil es das Arbeitsmaterial ist: man selbst. Der Entstehungsprozess ist der, warum man das alles macht, das Finden von Situationen, das Spielen, das In-Beziehung-Treten mit Kollegen und Kolleginnen: der kreative Prozess ist sehr viel spannender.
Ich stelle mich meiner Realität. Aber du bist natürlich nicht objektiv, da braucht man sehr viel Abstand um dies gut zu können.

diekremserin: Kann man deine Zusammenarbeit mit Regisseuren wie zuletzt wieder Götz Spielmann, für „Aufschneider“ mit David Schalko verlgeichen: wie unterschiedlich waren diese Kooperationen?

Ursula Strauss: So unterschiedlich wie sie als Menschen sind, gehen sie an ihre Projekte heran. So wie sie verortet, und verankert sind. Das ist nicht zu trennen.
Was sie gemeinsam haben ist, dass ich mit beiden sehr gerne arbeite. Es werden unterschiedliche Sprachen gesprochen am Set, sie haben unterschiedliche Herangehensweisen. Ich übe den Beruf aus, weil ich mich für Menschen interessiere und mich gerne auf Menschen einstelle – wo spreche ich die Sprache mit? Wo muss ich bei mir bleiben? Wo werde ich durch den anderen bereichert? Wo ist es umgekehrt? Das ist was mich interessiert: die Einzigartigkeit des Menschen – jeder hat eine andere Art zu arbeiten, jeder Mensch ist anders. Das ist das Spannende. Ich möchte verschiedene Sprachen verstehen.

diekremserin: Die Arbeit am Set ist für mich sehr fern - wie findet sich ein Team zusammen oder ist auch das immer ganz verschieden?

Ursula Strauss: Dabei gibt es keine Regeln. So wie das Leben ist es unvorhersehbar – denn Menschen stehen zusammengewürfelt am Set stehen und sie schwimmen miteinander. Das kann heftig sein, ganz liebevoll, schmähfrei, humorvoll: alles was das Leben so in sich birgt: am Set ist meist eine sehr hohe Energie. Viel Stress, viel Druck, es muss alles funktionieren, es muss schnell gehen, es ist eine hohe Konzentration da, viele Menschen sind für kurze Zeit zusammen gespannt; kurz, gesagt: eine hohe Lebensenergie.

diekremserin: Wie bereitest du dich auf Rollen deine Hauptrolle in "Oktober November" vor?

Ursula Strauss: Wir haben intensiv miteinander geprobt. Wir haben miteinander eine Familiengeschichte entwickelt. Die Beschäftigung mit dem Charakter passiert nach dem Drehbuch ganz automatisch. Wenn man über die Straße geht, beobachtet man. Da gibt es den unbewussten Arbeitsvorgang und den bewussten. Beim bewussten liest man Material, fragt Menschen auf die Rolle auf das Thema hin, man überlegt sich: ist die Sprache richtig, die die Figur spricht, wie schaut die Figur, wie redet sie.
Man sucht auch in sich selbst. Die Hauptarbeit ist bestimmt bei einem selbst - wie schaut die Figur, wie redet sie, hat sie Spleens,...

diekremserin: Die Charaktere sind mit dir selbst verbunden....

Ursula Strauss: Sie benutzen ja mein Werkzeug, sie wohnen in meinen Körper: die G’fraster.

diekremserin: Welche Pläne hast du für das Jahr 2014!

Ursula Strauss: Es ist viel und es ist cool - es taugt mir. Im Moment proben wir gerade an einem Programm mit dem Bela Koreny und der Kathi Strasser - am 12. Mai im Konzerthaus im Rahmen von Wean Hean einen Abend von Fritz Rotter. Mit zwei ganz tollen Musikern mache ich das Programm für Wachau in Echtzeit, das jetzt schon vorbereitet wird. Gemeinsam mit dem Ewald Palmetzhuber, der mit uns auftreten wird und den Text schreiben wird. In Kürze fahre ich nach Südtirol und drehe dort Bergdoktor. Das ist eine Episoden-Hauptrolle, ein Special sozusagen, gemeinsam mit Andreas Lust und Franziska Weisz. Auf das freue ich mich schon sehr, das sind wirklich tolle Kollegen, die Geschichte ist spannend - es geht ums Eingemachte.
Nächste Woche habe ich noch einen Drehtag beim Polizeiruf in Magdeburg.
Einen Kinofilm mit Özgür Yildrim mache ich in Deutschland, auf das freue ich mich sehr und er sich auch - ich habe dabei nur einen ganz kleinen Auftritt. Mit David Schalko drehe ich "Altes Geld", das ist eine neue Serie, die er gemacht hat, wo (fast) alle dabei sind, die es so gibt - die Serie hat irrsinnig viele Figuren. Ich bereite mich gerade vor auf einen Kinofilm vom Antonin Swoboda mit Stermann & Grissemann und Heinz Strunk. Das wird auch in Kürze sein. Dann hoffe ich, dass wir im Juni gemeinsam mit Mirjam Unger einen Kinofilm machen. Das hoffe ich sehr, weil darauf würde ich mich besonders freuen. Da geht's um ein Kinderbuch von Christine Nöstlinger - Maikäfer, flieg - und darauf hätte ich voll Bock. Ja, dann ist noch "Schnell ermittelt": wir drehen eine 90-minütige Episode.
Und ich würde mich noch über einen weiteren Film in Deutschland freuen, das wäre eine weitere Hauptrolle mit einem tollen Regisseur, nämlich Sebastian Fritsch. Und dann gibt's noch zwei Bücher in der Entwicklung... Es ist viel, aber es ist cool.

diekremserin: Das ist wahnsinnig viel und du musst unglaublich flexibel sein, zwischen Theater, Filmen und Büchern... 

Die Vorbereitungen für die Bücher sind eine riesige Aufgabe - du musst ja jede Figur sehr genau vorbereiten. Da die Budgets immer kleiner werden, werden die Vorbereitungszeiten immer kürzer und du hast nicht mehr so viel Zeit dich auf nur eine Sache zu konzentrieren. Das wär natürlich super, wenn man sagt, man macht zwei Filme im Jahr und kann gut davon leben - also angenehm - ich brauch kein Schloss. Das geht aber nicht. Abgesehen davon, ist mein Energielevel viel zu hoch, ich werde dann unruhig. Ich find's schon cool, wenn ich Zeit habe mich auszurasten, wobei ich gar nicht weiß, wann diese Zeit das letzte Mal war... Ich würde gerne auf Urlaub fahren, aber ich darf mich nicht beschweren, weil ich liebe meine Arbeit. Es ist alles gut.

diekremserin: Das hört sich so an, dass du das Hin-und-Her zwischen den Projekten sehr cool findest. Ich freue mich auf jeden Fall über die 90-minütigen Serie von "Schnell ermittelt". Da hast du auf jeden Fall sehr viel verschiedenes auf deinem Tableau für die kommenden Monate. 
Die Frage aller Fragen- würdest du sie mir stellen, wüsste ich keine Antwort- wo siehst du dich in 5 Jahren?

Ursula Strauss: Überall und nirgends. Eine beliebte Frage, aber interessant ist, dass die Leute, die die Frage stellen, wissen die Antwort auch nicht für sich. Schön langsam muss ich mir etwas überlegen: Ich sehe mich fünf Jahre älter. Hoffentlich ein bisschen g’scheiter.

diekremserin: Hast du einen Tipp, oder mehrere Tipps für angehende Jungschauspieler und Jungschauspielerinnen, die den Traum von der großen Bühne, vom Film haben?

Ursula Strauss: Wenn man diesen Wunsch spürt in sich, also diese Sucht in sich trägt, dann sollte man es probieren. Man begibt sich auf einen extrem steinigen, aber spannenden Weg. Mutig sein! Nicht Einschüchtern lassen von irgendjemandem und darauf gefasst machen, dass einem Gegenwind entgegen kommt. Frech sein, sich nix scheißen! Vor allem nicht konform gehen mit einer Gesellschaft, die immer mehr Gleichmacherei betreibt.

diekremserin: Herzlichen Dank für das intensive Gespräch! 

2 Kommentare:

  1. Dieses Gespräch mit der sympatischen Ursula Strauss finde ich auch deshalb so interessant, weil es ihre
    sehr persönliche Ein- und Aussichten
    sowohl als Person wie auch als Schauspielerin gibt.
    Herzlichen Dank an diekremserin.
    Franz T.

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  2. Danke, es war auch ein wirklich spannendes Gespräch, sehr authentisch und ehrlich. So wie ich es mag :-)

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