wanderlust = n, [won-der-luhst], a strong innate desire to rove or travel about

07.08.2014

Jetzt und Früher

Wolfgang Ernst in der Dominikanerkirche

Wenn Kunst bewegt

Eigentlich hatte ich vor endlich ins museumkrems zu gehen. Kremser Senf usw. Aber dann, als ich die schweren Glastore der Dominikanerkirche am Körnermarkt aufstieß, wollte ich nur mehr eins: hinein in den gotischen Bau, hinein in die luftige Ausstellung, hinein in Zeit:Kunst.

© diekremserin via instagram

Die Quellen der Inspiration liegen verstärkt in außerkünstlerischen, geistes- sowie naturwissenschaftlichen Standpunkten, die bis in vorchristliche Zeiten zurückreichen.

Die Ausstellung "Licht Blei & Schatten" des Künstlers Wolfgang Ernst kuratierte die Kunstkritikerin Margareta Sandhofer, die mit sehr viel Bedacht an die Arbeit ging. Kein white cube - also die handelsüblichen vier weißen Wände, mit der zeitgenössische Kunst sonst ausgestellt wird - umgibt die Kunst und die Betrachter. Alte Mauern, älter als wir uns erinnern können, alt genug, um Geschichten zu erzählen. Tatsächlich finde ich an vielen Stellen Malereien aus vergangenen Zeiten. Im Vordergrund stehen dennoch die einfühlsamen Werke von Wolfgang Ernst. 

Ins Auge gesprungen ist mir besonders diese gefiederte Skulptur, die wie eine Stele nach oben strebt. Wunderschön fasziniert und gleichzeitig verwundert wandte ich meinen Blick auf die Skulptur daneben. Die "erfolgstreppe" (1968) aus Stahl und Gras. Sehr subtil schmiert Wolfgang Ernst, der 1942 in Wien geboren heute in Niederösterreich lebt, den Betrachtern seinen Blick auf die Welt und ihr geistiges Eigentum, ihre kulturellen Errungenschaften und das stetige Wollen der Menschheit ums Maul. Aber eben subtil. 



© diekremserin


Der Rundgang durch die Ausstellung ergibt sich fast wie selbst, denn obwohl ich glaubte alles im Blick zu haben, rundet die ca. 2,30 m hohe, weiße Ausstellungsarchitektur den historischen Ausstellungsraum ab. Gleich zu Beginn konfrontiert Wolfgang Ernst uns mit Text-Bild-Nachdenk Arbeiten, die sich durch die gesamte Ausstellung ziehen. Text und die Veränderlichkeit dessen, was geschrieben steht und wie jeder Mensch dies anders versteht, steht eindeutig im Vordergrund. Dabei fallen mir besonders die "Hoehlen-Texte" auf. Mit Mortadella "geschriebene" Sätze sind bis zur Unkenntlichkeit verschimmelt, verrutscht und zerkleinert. Ganz unbewusst denke ich über Platons Höhlengleichnis nach und schüttle die Gedanken wieder ab, als ich in den großen Spiegel sehe. Die Tür nach draußen? Dorthin, wo sich die Menschen bewegen, deren Schatten ich sehen kann? Ich fühle mich wie Truman - beobachte mich selbst und werde beobachtet. Dann betritt man den Altarraum, den heiligsten Ort der ehemaligen Kirche, und sieht neben mittelalterlichen Wandmalereien großformatige, in Schwarz gehaltene Arbeiten...

Und dann ist da noch die Arbeit "Kassandra", die Schrift, Licht und Grafit vereint. In einem Kreis als vermeintliches Altarbild sticht der Schriftzug in Neonlicht hervor. "Kassandra" - wer ist diese Frau? Was tut sie? Welchen Hintergrund hat sie? Abermals komme ich ins Grübeln, bevor ich den Altarraum durch die Spiegeltür hinaus verlasse und mich noch einmal umdrehe.




© diekremserin

Der Zusammenhang und die Verbindung zwischen Kunst aus unterschiedlichen Materialien, dem historischen Gebäude und seiner Umwidmung vom geistlichen Raum hin zum Kunstraum, wird mit Wolfgang Ernsts Arbeiten optimal genutzt.

Bis 19. Oktober 2014 ist die Ausstellung in Zeit:Kunst Niederösterreich zu sehen.

© diekremserin



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